Diesmal die ganze Streckenpalette mitgenommen und den 100-Meiler gemacht ….. Schon verrückt, wo einen die Reise hinführen kann. Aber, wie kam es denn überhaupt dazu?
Mit dem 100km Lauf 2024 war eigentlich schon ein Maß erreicht, von dem man ausgehen sollte, dass es doch mal gut ist. Und ehrlich, war es auch. Ich war total KO danach. Also mal so richtig fertig, seelisch, moralisch und körperlich. Da ging nix mehr. Klar, was soll man auch erwarten, wenn man aus einer Verletzung heraus nur ein paar Wochen trainiert und mit 150km in den Beinen nen 100er läuft. Ein bisschen hat es mich im Inneren angestunken, dass es mich danach so brutal niedergerissen hat. Das hätte auch besser gehen und mehr Spaß machen können. Das war dann auch das Saatkorn für den Gedanken, den Plan aus 2024 vielleicht nochmal umzusetzen und zu schauen, ob es denn überhaupt geht, bis dahin durchzutrainieren und ob ich dann Muse zum 100er habe. Der Gedanke 100 Meilen war noch nicht da, denn dafür, so dachte ich, hatte ich die Quali nicht geschafft. Für die 100 Meilen beim T100 musst Du eine 100km Zeit nachweißen und ich dachte immer das wären 13:00h gewesen. Ich war mit 13:27h also drüber. Ein bisschen hatte es mich geärgert, weil ich ja wußte, dass ich ziemlich schlecht vorbereitet da lief und man will sich ja zumindest auch mal für was qualifizieren. Somit reifte der Gedanke einfach nochmal den Rennsteig machen, dann bisschen Pause und dann nochmal den Plan für 100km trainieren. Wenn das gut geht und ich mich nicht verletze oder sonst was dazwischen kommt, kann man es ja nochmal probieren.
Keine Ahnung wann stöberte ich auf der T100-Seite rum, bewunderte die Gürtelschnalle, die die 100-Meilen Finisher bekommen und las: Qualifikation für 100 Meilen Lauf sind nachgewiesene 13:30h über 100km. …. Ääääh what? Ich hätte die Quali also geschafft? Das war irgendwie motivierend. Eine Anmeldugn ging aber nicht raus, denn schon wenige Augenblicke und nüchterne Betrachtungen später war klar: Das sind nochmal 60km mehr und rückblickend auf meine Verfassung nach dem 100er, konnte ich mir absolut nicht vorstellen, sowas anzugehen. Es blieb also bei dem Plan mit dem Training.
Es lief alles ganz gut. Der Rennsteiglauf war ein gebrauchter Tag, hat mich aber nicht sonderlich heruntergezogen. Die Pause danach und bisschen mehr Radfahren taten gut. Nun sollte es den Sommer über also mal ein Laufprogramm sein. Ich schmöckerte in dem Buch von Hubert Beck ( nebenbei Veranstalter vom T100) „Das große Buch vom Ultra-Marathon“ und las: „ … der Plan für den 100-Meiler unterscheidet sich nicht viel vom 100-KM Plan ..“ Kurzer Gegencheck und Abgleich mit dem Plan, den ich eigentlich für mich erstellt hatte ergab: Das sind ähnliche Umfänge, nur bisschen anders verteilt. Da beschloss ich zumindest mal den Trainingsplan für 100-Meilen als Grundlage herzunehmen und dann schauen wir mal. Es lief tatsächlich ganz gut. Die Umfänge konnte ich gut steigern und war jetzt nicht krank, verletzt o.Ä.. Nach dem ersten 50km Lauf aber dachte ich mir, sowas kannst jetzt nicht noch zweimal machen und dann nochmal 10 obendrauf. Auch der zweite 50km Lauf und ein 60km Lauf gingen ganz gut, aber objektiv betrachtet konnte ich mir beim besten Willen nach den 60km nicht noch weitere 100km vorstellen. Nun rückte aber die Zeit näher mit der Anmeldefrist und eine Entscheidung musste her. Machste nochmal die 100 oder nicht? Das blöde war nun aber, dass ich den Plan für 100-Meilen eigentlich fast zu 100% umsetzen konnte. Wäre es doch machbar? Man muss nun dazu noch wissen, dass man beim T100 nicht einfach im Rennen von 100km auf 100mi verlängern kann. Du kannst dich für 100mi anmelden und wenn Du bei 100km aussteigst, dann bist Du ein 100km Finisher. Eine feine Sache, aber für mich trotzdem eine mentale Hürde. Ich kenn‘ mich ja nun doch ein bisschen und weiß genau was in mir vor geht, wenn ich mich für 100mi anmelde. Ich steige da nicht bei 100km aus, wenn ich noch halbwegs stehen kann. DNF is not an option und wenn ich aussteige, dann muss es schon böse sein. Eine Anmeldung zu 100 Meilen würde in meinem Fall bedeuten, entweder bist bei 100km genauso platt, wie letztes Jahr und steigst aus oder du gehst es an und gehst irgendwo mitten in der Nacht am Stock. Beide Optionen machten mir echte Angst, denn das Trauma von den 100km 2024 saß tief und ich konnte mir nicht mal ansatzweise vorstellen nach den 60km im Training da nochmal 100km draufzupacken. Es folgten unruhige Tage. So richtig großes Mimmimi und hilflos, wie ein Kleinkind eine Entscheidung zu treffen.
Irgendwann ertappte ich mich bei dem Gedanken, Du wirst es später bereuen, wenn Du den 100-Meilen Plan durchgeführt und es nicht probiert hast. Du wirst Dich immer fragen, hätte das geklappt. Ich stand auf und meldete mich zu den 100-Meilen an. 10 Tage vor dem Lauf. Was folgte war absoluter Brainhorror. Mir taten auf einmal alle Muskeln weh. Ich konnte nicht mehr ruhig schlafen, Pulswerte gingen hoch usw. Oder anders gesagt: Ich hatte die Hose gestrichen voll. Ich versuchte mich im Inneren zu beruhigen nach dem Motto, die 100k reichen doch. Das Teufelchen auf der Schulter flüsterte mir aber ins Ohr: Wenn Du nicht schon auf den 100km elendig leiden wirst, dann wirst Du es nicht übers Herz bringen und es versuchen und dabei elendig krepieren. So ging es also dahin bis zum Tag der Tage. Natürlich blendet man alles so gut es geht aus und versucht cool zu bleiben, aber im Inneren war jeder Alarmknopf gedrückt. Die schwankenden Wettervorhersagen machten das Packen der Dropbacks etwas komplizierter. Irgendwann stopfte ich einfach immer einen kompletten Satz Ersatzklamotten rein und für die letzten 60km noch warme Sachen.



Raceday
Der T100 ist einfach perfekt organisiert. Zum Frühstück muss ich mich zwingen zum Essen, aber es geht alles ganz gut und schon steht man mit Stirnlampe und Fackel in der Hand am Ausgangspunkt. Lockerer Lauf durch die Stadt zur Beauftragung als Botenläufer. Einfach schön gemacht und auch motivierend. Es beginnt leichter Nieselregen. Temperatur aber OK. Danach lockerer Lauf zur Eiswiese. Permanentes Abchecken der Beine. Fühlt sich gut an. Normalerweise stehe ich am Start und komme in den Modus, der mir sagt, jetzt machst du das. Diesmal nicht. Ich kann es mir einfach nicht ausmalen und laufe locker los. Ziel ist es die 07:00min/km so genau und lange wie möglich zu halten. Dann sehen wir mal, was das Training gebracht hat. Ich verpflege alle 30min mit einem Gel mit 45g KH. Jede VP wird voll mitgenommen, Kartoffelbrei, Salz, Chiasamen und ISO Getränk. An dieser Stelle ein großer Dank an meinen Magen, der nimmt sowas ja gelassen hin … also fast.
Es läuft tatsächlich gar nicht so schlecht und ich komme so langsam dahin mir zumindest erstmal klar zu machen, dass ich keinen schlechten Tag erwischt habe. Bei km17 bin ich der letzte (17.) der 100-Meilen Starter, der seinen Dropback wieder zurück gibt. Das wußte ich nur, weil der Volunteer nach meiner Abgabe zu seinem Kollegen meinte: „Alle drin, wir können die jetzt wegbringen“. An dieser Stelle ein dickes Lob und Dankeschön an die Helfer des T100. Du wirst da immer und zu jeder Zeit freundlich empfangen und man hilft, wo man kann und das an einem Tag, wie diesen, wo es noch unangenehm werden sollte vom Wetter her. Da stehen die Streckenposten stundenlang im Piss und feuern einen an und motivieren einen. Das ist ganz großes Kino. Danke dafür.


Tatsächlich komme ich gut voran, kann die 7min gut halten und merke, dass ich nicht allzuviel abbaue. Es reifte der Gedanke, jetzt läufst einfach so lange 7min/km bis das nimmer geht und dann schaust mal, wo Du bist. Zwischendurch ergeben sich auch ein paar Laufgespräche. Das lenkte auch mal gut ab und war angenehm. Das Wetter zeigte sich wechselhaft an dem Tag. Kurz vor km 70 ging die Post dann mal richtig ab. Starke Windböen und peitschender Regen. Das war fies und ich froh kein Leichtgewicht zu sein. Wechsel der Klamotten bei KM 70. Schuhe und Hose habe ich aber nicht getauscht an dem Tag. Die Füße waren eh nass und ich hatte Angst trockene Socken und Schuhe könnten da mehr reiben. Diesmal ging es nach dem 70km Wechsel ohne Höllenqualen weiter. Das stimmte mich positiv, waren es doch nur noch 30km bis zu den 100. Ich lief dann viel mit Martin zusammen, ein 100-km 1st-Timer. Tempo und Chemie passten ganz gut und wir zogen Richtung 100km Marke. Auf diesen letzten 10-15km konnte ich mir dann auch die letzten 60km mental zurecht legen. Nur noch 6x10km, das geht, auch wenn Du wanderst usw. Es war alles im Lot, allerdings merkte ich schon, dass die aufgeweichten Füße keinen Spass in den Schuhen hatten. Kurz vor der 100km Marke platzt an der linken Fußsohle eine fette Blase. Brannte ordentlich, ging dann aber doch gut weiter. Nach ca. 12:40h kam ich bei den 100km an. Eine Stunde schneller, als zum Vorjahr und tatsächlich noch halbwegs beieinander. Klar brennen da schon die Beine und es würde auch reichen, aber für einen Ausstieg reichte das bei Weitem nicht. Also umziehen und los.
Der Ultraläufergott stellt meinen Willen zum Finish noch in Wertheim auf die Probe und schickt Tief Detlef vorbei. Ich habe zum Glück noch rechtzeitig die Regenjacke angezogen, denn was dann kam war schon heftig. Sturmböen, der Regen kam waagerecht und wurde stilvoll ergänzt durch Hagel. Blitz und Donner rundeten das Menue klangvoll und visuell ab. Und dann kam der Moment, den ich so liebe. Ich lache und grinse vor mich hin und spreche es aus: Hier hält mich keiner mehr auf. Das bringe ich zu Ende. Ich bin motiviert und versuche sogar weiter die 7min/km zu halten. Bei km100 hatte ich noch eine Geheimwaffe ausgepackt und mir Musik auf die Ohren geknallt. 5 Finger Death Punch und Volbeat tun ihr Übriges und ich nehme mir vor 5km laufen, dann verpflegen und weiter. Die Pace ging dann natürlich runter und man musste auf den Wegen schon aufpassen, dass man nicht über das Astwerk der Bäume und Nüsse und Kastanien nach dem Regen stolperte. Die Fußsohlen fangen an zu brennen, weil einfach alles durchgeweicht ist und reibt. Nicht schön, aber gut. Bis km 130 bin ich noch halbwegs beieinander, dann wurde es zäh. Eine neue Strategie musste her. Der T100 ist tatsächlich bis zum Ende mit jedem KM durchmarkiert. Der neue Plan war laufen bis zur KM-Marke, 200m gehen, dann weiter bis zur nächsten KM-Marke usw. Es ging, war aber schon eine ordentliche Schinderei. Die Knie sangen auch schon ein Halleluja. Nun ja, es ist dann nun mal, wie es ist und wenn man schön tapfer im Kopf bleibt und einen Schritt nach dem anderen macht, dann ist man irgendwann im Ziel. In Gemünden geht es zum Finale nochmal einen Anstieg hoch und es ist vollbracht. 100 Meilen in 21 h 45min … wer hätte es gedacht.
Zum Ritterschlag brauchte es tatkräftige Unterstützung des THW. Sie haben mit herunter- und auch wieder hochgehoben. Ich hätte das aus eigener Kraft nicht mehr geschafft. Danach im Zelt ordentlich Gulaschsuppe und die Helfer fahren uns sogar zum Hotel. 05:00 Uhr liege ich total zerstört, aber stolz und happy neben meinen Mädels im Bett. What a day !



